Institut für Rechtsmedizin
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DNA-Analytik

Ein Beispiel: Analyse mitochondrialer DNA im Fall Kaspar Hauser

18.02.1998

Die Herkunft der historischen Person Kaspar Hauser ist unbekannt. Schon zu seinen Lebzeiten war sie ein Rätsel. Wie konnte ein fast erwachsener Mensch im Europa des frühen 19. Jahrhunderts unter so mysteriösen Umständen auftauchen? Eine Antwort auf diese Frage wurde bereits mit den Mitteln der damaligen Zeit versucht. Seitdem hat sich die Welt sehr verändert. Neue Techniken sind entdeckt worden, Techniken, die eine Antwort auf die Frage der Herkunft von Kaspar Hauser möglich erscheinen lassen. Die Methode der Wahl ist die Analyse mitochondrialer DNA. Eine Technik, die zum Beispiel bei der Identifizierung der russischen Zaren-Familie eingesetzt wurde oder der Identifizierung von Jesse James in Amerika.

Diese DNA der Mitochondrien, der Kraftwerke einer Zelle, wird von einer Mutter auf ihre Kinder vererbt. Söhne und Töchter besitzen sie identisch, aber nur die Töchter können sie wiederum an ihre Kinder weitergeben. So wird die mitochondriale DNA über die weibliche Linie vererbt. Es sind die Stammbäume der Töchter zu ihren Mütter, zu ihren Großmüttern und so weiter, welche die Analyse mitochondrialer DNA besonders für die Feststellung von Abstammungsverhältnissen geeignet macht, selbst wenn Zwischenglieder über mehrere Generationen fehlen. Erst nach vielen Generationen, man kann vorsichtig von 10 bis 15 Generationen ausgehen, kann statt einer identischen mt-DNA eine veränderte oder mutierte DNA auftreten (Erbsprung). In diesem seltenen Fall kann eine Veränderung der Basenzusammensetzung vorkommen. Das Entstehen von zwei Mutationen ist noch sehr viel seltener.

Im Fall Kaspar Hauser standen für die Untersuchung augenscheinliche Blutspuren zur Verfügung, die sich an seiner mutmaßlichen Kleidung befanden. Als besonders geeignet erschien eine Spur an der Unterhose, die durch ihre Lage geschützt war. Sie wirkte den Umständen entsprechend gut erhalten und war vergleichsweise groß. Im Bereich der Spur bestand die Unterhose aus zwei Lagen Stoff. Aus der inneren Lage wurde ein Stoffstück herausgeschnitten und dieses halbiert. Die Hälften wurden den Labors (Forensic Science Service, Birmingham, und Institut für Rechtsmedizin der Universität München) für die Untersuchung zur Verfügung gestellt. Die Originalgröße der mutmaßlichen Blutantragung blieb dabei auf der äußeren Stofflage der Unterhose vollständig erhalten. Die äußere Stoffschicht wurde durch die Probenentnahme nicht beschädigt.

Unser Labor erhielt damit ein etwa 3,5 x 5 cm großes Stoffstück mit einer ungefähr 10 cm2 großen rot-bräunlichen Antragung wie von Blut. Darüber hinaus wurden uns für Vergleichszwecke Blutproben von zwei Frauen übersandt, die nach der Herkunft lebende Verwandte der Stephanie von Beauharnais seien.

Untersuchung:

Aus der etwa 10 cm2 großen mutmaßlichen Blutantragung auf der Stoffprobe wurden zwei 4 cm2 große Stoffstücke mit Antragungen herausgeschnitten. Es wurde aus beiden Proben voneinander unabhängig DNA isoliert. Teilbereiche der hochvariablen Regionen 1 und 2 (HVR1 und HVR2) beider Proben wurden durch Polymerasekettenreaktion (PCR) vermehrt und anschließend beide Stränge der Vermehrungsprodukte sequenziert. Damit wurden die einzelnen Bausteine der variablen Regionen doppelt für jede Probe, also viermal insgesamt bestimmt. Ebenso wurden die Blutproben der Vergleichspersonen sequenziert.

Zusätzlich wurde eine Geschlechtsbestimmung mittels PCR durchgeführt. Dazu wurde DNA von der Spur aus der Unterhose "Kaspar Hauser" auf Anteile von X- und Y-Chromosom des Menschen untersucht. Es wurde geprüft, ob neben Vermehrungsprodukten vom X- auch solche vom Y-Chromosom erhalten werden konnten. DNA-Proben einer weiblichen Person wurden als Kontrolle mitgeführt. Die Kontrollen erbrachten richtige Resultate. Die DNA von der Spur ergab Vermehrungsprodukte von X- und Y-Chromosom in gleichem Verhältnis. Ein vergleichbares Ergebnis zeigt die DNA einer männlichen Person.

Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse

  • Vom Blut beider Vergleichspersonen wurden identische Sequenzen der variablen Regionen der mitochondrialen DNA erhalten, woraus ihr familiärer Zusammenhang abgeleitet werden kann.
  • Nach der Geschlechtsbestimmung stammt die Spur "Kaspar Hauser" von einem Mann.
  • Von der Spur "Kaspar Hauser" wurde eine mt-DNA Sequenz erhalten, wie sie in der mitteleuropäischen Bevölkerung beobachtet werden kann.
  • Die Sequenz der Spur unterscheidet sich an neun Positionen von der mt-DNA Sequenz der Vergleichspersonen.
Somit können die beiden Vergleichspersonen nicht über die weibliche Linie mit dem Mann verwandt sein, von dem die Spur "Kaspar Hauser" stammt.


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