Institut für Rechtsmedizin
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Abteilung für Forensische Histologie, Paläopathologie und Mumienforschung

Ärztl. Leitung: Prof. Dr. med. Dr. rer. hum. biol. Andreas Nerlich
Technische Leitung: Christine Reischl

 

1.Diagnostische Leistungen – Forensische Histologie

Eine feingewebliche (= „histologische“) Untersuchung kann im Rahmen forensischer Analysen eine wichtige Informationsquelle darstellen. So lassen sich in einem Teil von forensisch relevanten Autopsie-Fällen mit Hilfe von histologischen Untersuchung Kriterien für eine natürliche Todesursache feststellen, die einer makroskopischen Beurteilung nicht zugänglich sind. Dies kann bei unklarer Ausgangslage eine Fall-Klärung in der Zusammenschau aller Befunde bewirken. Typische Beispiele hierfür sind ein Nachweis eines histologisch belegten, akuten Myokardinfarktes, einer akuten Bronchopneumonie oder frischer Hirnblutungen. Darüber hinaus gibt es einen Einsatz für histologische Untersuchungen für vielfältige spezifisch forensische Fragestellungen, so z.B. einem Vitalitätsnachweis von Verletzungen und Blutungen oder die Altersbestimmungen von Wunden.
Zum Erreichen der vorgenannten Ziele ist eine spezifische Aufarbeitung geeigneter Gewebeproben notwendig. Eine histologische Untersuchung wird dabei üblicherweise an Gewebeproben durchgeführt, die im Zuge einer Autopsie entnommen und mit Hilfe von Formaldehyd-Lösung gehärtet sind. Diese Fixation erlaubt technisch eine außerordentlich lange Aufbewahrung solcher Proben, so dass eine histologische Untersuchung jederzeit – und auch nach langer Zeit – durchgeführt werden kann.
Die vorgenannte gehärtete Probe muss allerdings labortechnisch weiter aufbereitet werden. Dabei stellen ein sachgerechtes Zutrimmen der Proben (sog. „Zuschnitt“) in histologischer Kassetten-Größe, eine automatisierte Entwässerung in einer Alkoholreihe und Überführung der Probe in Paraffin-Wachs (sog. „Ausblocken“) – somit in eine nahezu endlos konservierte Material-Probe – und schließlich die manuelle Anfertigung von histologischen Schnittpräparaten (Schnittdicke von 2-3 µm) eine notwendige Abfolge von Maßnahmen dar. Diese Schnittpräparate können anschließend gefärbt werden, wobei eine Hämatoxylin-Eosin (H&E-) Färbung als Standard-Routinefärbung zur Beurteilung für alle Gewebearten durchgeführt wird. Histochemische Spezialfärbungen können je nach Fragestellung und Bedarf angeschlossen werden: Elastica-van Gieson-Färbung (Bindegewebsstrukturen), PAS-Färbung (Mucopolysaccharide), Berliner-Blau-Färbung (Hämosiderin-Blutungs-Nachweis), Ziehl-Neelsen (säurefeste Stäbchen), Kongorot-Färbungen (Amyloid) und zahlreiche weitere mehr.
Schließlich kann an den hergestellten Paraffinblöcken auch eine immunhistochemische Analyse ergänzend vorgenommen werden, wobei monospezifische Antikörper gegen zahlreiche Antigene angewandt werden können. Dabei gibt es – je nach Fragestellung – zahlreiche einsetzbare Antikörper, beispielsweise gegen Epithelzellmarker (Zytokeratine), Makrophagen (Fresszellen), spezifische Immunzellen (B- oder T-Lymphozyten), Organ-spezifische Antigene (Prostata-Antigen, Östrogen-Rezeptor von weiblichen Hormon-abhängigen Geweben, wie Mamma oder Ovar etc.) u.v.m.
Im Rahmen der forensisch-medizinischen Routinediagnostik versorgt die Abteilung das Institut mit allen diagnostisch notwendigen Leistungen. Diese erstrecken sich auf die Anfertigung histologischer Schnittpräparate mit allen gängigen, insbesondere den vorgenannten histochemischen Routine-Färbungen, wie auch den immunhistochemischen Färbungen für spezifische Fragestellungen. Dazu steht in der Abteilung eine breite Palette spezifischer Antikörper zur Verfügung.

2. Wissenschaftliche forensische Histologie

Zusätzlich zu den diagnostischen Routineleistungen beteiligt sich die Abteilung auch an histologischen Fragestellungen aus verschiedenen Bereichen der rechtsmedizinischen Forschung. Diese umfassen ein ganz breites Spektrum an Projekten, wobei Anknüpfungspunkte mit der forensischen Biomechanik, forensischen Bildgebung, forensischen Anthropologie u.v.m gegeben sind.

3. Paläopathologie als Forschungsfeld

Die Abteilung beschäftigt sich wissenschaftlich zudem mit der Paläopathologie, somit der Wissenschaft von Leben und Krankheit in vergangenen Bevölkerungen. Dabei gibt es grundsätzlich keine Begrenzung von Zeitraum oder Region. Die Erforschung speziell von Lebenssituationen und dem Auftreten, der Ausprägung, wie auch dem – im weitesten Sinne therapeutischen – „medizinischen“ Umgang mit Kranken in früheren Zeiten erfordert einen interdisziplinären, multimodalen Ansatz, der verschiedene Disziplinen aus der Medizin und benachbarter Naturwissenschaften, aber auch aus den Geisteswissenschaften (v.a. der Geschichtswissenschaften) zusammenbringen muss.
Die Abteilung verfolgt dabei paläopathologische Forschungsansätze sowohl anhand von Funden, z.B. Skelett- aber insbesondere auch Mumienfunden aus Museumsbeständen (altes Ägypten), oder Kirchengrüften und anderen Bestattungsszenarien. Zusammen mit anderen Abteilungen am Institut, aber auch an anderen nationalen und internationalen Institutionen hat sich hier eine internationale Forschergruppe formiert, die paläopathologische Untersuchungen auf hohem Niveau vornimmt.
Zusätzlich zur Untersuchung von menschlichen Funden wird an der Abteilung auch die Krankheits-Erforschung durch Iconodiagnostik verfolgt. Hierbei werden Lebens- und Krankheitssituationen an historischem Bildmaterial (Gemälde, Zeichnungen, figürliche Darstellungen u.v.m.) erfasst, und interdisziplinär, nach festgelegten Kriterien bewertete „Befunde“ dargestellt und klassifiziert.

4. Mumienforschung als Forschungsfeld

Schließlich umfasst das wissenschaftliche Spektrum der Abteilung auch die Erforschung von Mumien – zum einen im Rahmen der zuvor aufgeführten paläopathologischen Analytik – zum anderen durch systematisch retrospektive, aber auch experimentelle Analysen, die den gezielten Erhalt von menschlichen Leichen wissenschaftlich untersucht. Solche Konservierungen wurden als Mumifizierung oder Balsamierung in vielen früheren Bevölkerung gezielt vorgenommen, entstanden jedoch auch spontan unter besonderen Liegebedingungen. Dies gilt nicht nur für antike Hochkulturen, wie das alte Ägypten, sondern gerade auch für sozial hochstehende Bevölkerungsgruppen des Spätmittelalters, der Renaissance und Neuzeit in Europa. Neben den systematischen Analysen der angewandten Techniken und der Entwicklung von mehr und weniger erfolgreichen Verfahren zur Balsamierung Verstorbener, werden auch experimentelle Ansätze hierzu angewandt.

Ansprechpartner:

Andreas.Nerlich@med.uni-muenchen.de

 

 


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